Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), leiden 2 Milliarden Menschen, also knapp 25 Prozent der Weltbevölkerung, an einer Blutarmut (Anämie). Liegt vor einer Operation eine Blutarmut vor, ist dies ein Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit und weitere Komplikationen.
Während des Krankenhausaufenthaltes können Blutverluste während der Operation sowie diagnostische Blutentnahmen die Blutarmut weiter verstärken. Zum Ausgleich ist dann häufig eine Transfusion von Fremdblut erforderlich. Auch wenn diese so sicher ist wie nie zuvor, gibt es einige Risiken, die mit einer Fremdbluttransfusion verbunden sind. Trotzdem ist die Bluttransfusion im Rahmen von Notfällen, zum Beispiel bei Trauma-Patienten oder sonstigen bedrohlichen Blutungen und Verletzungen, lebensrettend. Allerdings kommt es aufgrund demographischer Veränderungen und der Spenderkriterien schon jetzt zu Engpässen in der Versorgung mit Fremdblut.
Basierend auf diesen Erkenntnissen hat das Patient Blood Management (PBM)-Konzept in den letzten Jahren zunehmendes Interesse erlangt. Um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit weiter zu steigern und zusätzliche wissenschaftlich fundierte Belege für die Effektivität von Patient Blood Management zusammenzutragen, wurde 2014 am Universitätsklinikum Frankfurt das Deutsche Patient Blood Management-Netzwerk gegründet.
Das Elbe Klinikum Stade ist Mitglied und Kooperationspartner des Deutschen Patient Blood Management-Netzwerkes.
Ansprechpartner und Projektleiter zum Thema Patient Blood Management ist Professor Dr. med. Ole Broch, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Operative Intensivmedizin.
Anästhesie und operative Intensivmedizin mit Schmerztherapie - Zentrum für Palliativmedizin
Patient Blood Management
Patient Blood Management (PBM)
Die drei Säulen des Patient Blood Management
Das Patient Blood Management-Konzept ist ein interdisziplinäres, evidenzbasiertes Behandlungsmodell zur Steigerung der Patientensicherheit, welches die Optimierung des patienteneigenen Blutvolumens zum Ziel hat. Durch Anwendung der drei Säulen und Bündelung der einzelnen Maßnahmen zu einem Gesamtkonzept wird eine Transfusion von Fremdblut in der elektiven (geplanten) Chirurgie deutlich seltener notwendig.
Die Implementierung von Patient Blood Management in den klinischen Alltag führt deshalb zu einer signifikanten Reduktion der Komplikationsraten und verbessert das Outcome unserer Patienten.
1. Säule: Detektion und Behandlung einer präoperativen Anämie
Was ist eine Anämie?
Eine Anämie bezeichnet eine Blutarmut, also einen Mangel an roten Blutkörperchen und des darin enthaltenen Sauerstofftransportierenden Hämoglobins (Hb). Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation haben Frauen mit einem Hb <12 g/dl und Männer mit einem Hb <13 g/dl eine Anämie.
Wie entsteht eine Anämie?
Mehrere Mechanismen können (auch in Kombination) zu einer Anämie führen. Einerseits kann die Blutbildung durch einen Mangel an Eisen oder Vitaminen, wie es bei 40% der Patienten der Fall ist, gestört sein. Andererseits können in weiteren 40% der Fälle auch chronische Erkrankungen (Tumore, chronische Entzündungen, Autoimmun- oder Nierenkrankheiten) für eine Blutarmut verantwortlich sein. Andere Ursachen für eine Anämie sind beispielsweise ein erhöhter Blutverlust, z.B. durch offene oder okkulte (versteckte) Blutungen.
Folgen einer Anämie
Eine unbehandelte Anämie (auch in geringer Ausprägung) ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für Komplikationen und Sterblichkeit sowie einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus verbunden.
Detektion und Therapie einer Anämie
Durch spezielle Laboruntersuchungen kann eine Anämie aufgrund eines Eisen- und Vitaminmangels festgestellt werden. Durch eine intravenöse Gabe von Eisen und/oder einer Vitamingabe, wenn möglich mindestens 7 Tage vor einer geplanten Operation, kann in vielen Fällen eine Anämie behoben und die Fremdbluttransfusion vermieden werden. Diese Therapie betrifft ausschließlich Patienten die sich einer großen Operation (z.B. Pankreaschirurgie, Revisionsoperationen in der Endoprothetik etc.) mit einer erhöhten Transfusionswahrscheinlichkeit unterziehen müssen.
Im Elbe Klinikum Stade wird im Vorfeld großer Operationen sowohl die präoperative Diagnostik einer Eisenmangelanämie, als auch die Infusion von Eisen und Vitaminen angeboten und durchgeführt.
2. Säule: Minimierung des Blutverlustes
Blutverluste während des Krankenhausaufenthaltes können verschiedene Ursachen haben. Dazu gehören beispielsweise zu häufige Blutentnahmen mit unnötig großem Volumen, Blutungen durch unzureichende Anamnese und/oder nicht optimal eingestellte Rahmenbedingungen der Gerinnung. Eine maximale Reduktion unnötiger Blutverluste sowie ein maximaler Einsatz fremdblutsparender Maßnahmen sind somit unabdingbar. Der Einsatz moderner chirurgischer Techniken (z.B. minimalinvasive Methoden) ist ebenso wichtig wie ein optimales Management der Gerinnung. Bei Blutverlusten > 500 ml ist die maschinelle Autotransfusion – also das Auffangen, Reinigen und Wiederzuführen von Wundblut – eine wertvolle Möglichkeit, den Einsatz von Fremdblut so gering wie möglich zu halten.
3. Säule: Rationaler Einsatz von Blutkonserven
Bei angemessenem Einsatz & korrekter Indikation stellen Blutkonserven weltweit täglich für Tausende Patienten eine lebensrettende Therapie dar.
Allerdings: jede unnötige Transfusion von Fremdblut muss vermieden werden. Vor einer Fremdbluttransfusion sollten unbedingt die möglichen Risiken einer Gabe gegenübergestellt und individuell entschieden werden, was letztendlich das geeignetere Vorgehen (Transfusion versus keine Transfusion) ist. Die Entscheidungsfindung darf dabei nicht alleine anhand des Hb-Werts erfolgen, sondern muss auch weitere Faktoren, wie den akuten klinischen Zustand des Patienten beachten. Generell muss berücksichtigt werden, dass Fremdbluttransfusionen immer nur das „Ultima Ratio“ einer Anämietherapie darstellen und immer mit Nebenwirkungen und Komplikationen assoziiert sein können.
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